Ein eigenes Buch veröffentlichen: Tolino oder Kindle?

Ein Buch lässt sich heute sehr schnell und einfach für den elektronischen Kauf und als Printausgabe veröffentlichen. Die erste und grundlegende Entscheidung für die Herausgabe des eigenen Buches lautet: nur für Kindle auf Amazon – oder auch für Tolino und andere Anbieter?

Amazon bietet mit seinem „Kindle Direct Publishing“-Angebot ein sehr ausgereiftes, gut strukturiertes Tool, das jedem Autor die Veröffentlichung seiner Werke innerhalb weniger Stunden ermöglicht. Mit einer geschätzten Reichweite am deutschsprachigen eBook-Markt von etwa 50 % ist Amazon auch der absolute Platzhirsch unter den Shops. Mit „Createspace“ erlaubt Amazon auch, ein eigenes Buch als Printausgabe im Taschenbuchformat herauszugeben.

Amazon ist es gelungen, den „Kindle“ geradezu als Synonym für den „eBook-Reader“ oder „eReader“ einzuführen. Und tatsächlich stellt der Kindle, jetzt in der Form des „Paperwhite“, das Gerät dar, das von den übrigen Anbietern kopiert wird. Wie etwa der Tolino, der stets mit einigen Monaten Verzögerung technisch gleichwertig auftritt – und von den großen deutschen Buchhandelsketten kräftig beworben wird. Man schätzt für den „Tolino“ inzwischen einen Marktanteil in Deutschland von ca. 30 %.

Was den Kindle gegenüber Tolino allerdings noch viel stärker macht, sind die Kindle-Lese-Apps für PC, Mac, Smartphone und Tablet. Auf dem iPad könnte Kindle damit sogar den Apple-iBook-Store (geschätzt ca. 10 % Anteil) ausgestochen haben.

Zum Nachteil der „Tolino Allianz“ gerät, dass sie eben eine „Allianz“ und kein zusammenhängendes Shop-System ist. Um „für Tolino“ zu veröffentlichen, müssen Thalia, Weltbild, Hugendubel und weitere Anbieter beliefert werden. Dazu benötigt der Autor einen „Distributor“, der über die klassischen Verlags-Vertriebswege diese Shops versorgen kann.

Die Entscheidung: Nur Kindle – oder Kindle plus Tolino und Apple

Wer nur bei Kindle veröffentlicht, verzichtet auf etwa die Hälfte des potentiellen Käufermarktes. Das ist eine einfache Rechnung, und wie so viele einfache Rechnungen ist sie falsch.

Denn die Shop-Vielfalt, die hinter der „Tolino-Allianz“ steht, ist für selbstpublizierende Autoren nur schwer beherrschbar. Die Bestsellerlisten, die dort präsentiert werden, sind undurchsichtig; Änderungen, Korrekturen und Anpassungen dauern lange; Abrechnungen erfolgen teilweise nur monatlich oder noch seltener. Da man über „Distributoren“ veröffentlichen muss, hat der Autor keinen direkten Zugang zum Verkäufer – denn die deutschen Büchershops bieten zur Zeit keinen direktes Selfpublishing für einzelne Autoren an.

Dagegen stellt Amazon eine hoch automatisierte Publishing-Plattform zur Verfügung, rechnet seine Bestseller- und Ranglisten nachvollziehbar exakt und liefert stündlich Verkaufsmengen. Über das Amazon-Partnerprogramm können Autoren sogar genau verfolgen, wie eigene Werbeaktionen funktionieren: wie viele Klicks erfolgten und wie hoch die Kaufrate für Aktionen war.

Ich sagte: „automatisierte Publishing Plattform“. Erwarten Sie sich keinen persönlichen Kundendienst! Das KDP Team ist freundlich, hilfsbereit und erfahrungsgemäß sehr schnell, verschanzt sich aber wegen der Vielzahl an Anfragen hinter Textbausteinen. Nicht immer sind KDP-Antworten sofort verständlich – und gibt es mal Unstimmigkeiten, reagiert das internationale Unternehmen Amazon durchaus scharf und gibt die Lösung vor.

Die grundlegende Entscheidung (nur Kindle oder alle) hat auch eine gesetzliche Folge. In Deutschland und vielen europäischen Staaten gibt es ein Gesetz zur Buchpreisbindung. Und dieses Gesetz fordert, dass der vom Autor / Verlag festgesetzte Preis von allen Buchverkäufern einzuhalten ist – er muss immer und überall der gleiche sein. Das bedeutet: verkauft man nur über einen einzigen Shop, ist dieses Gesetz automatisch erfüllt. Sobald man über mehrere Shops verkauft, muss der Preis stets überall kommuniziert und angeglichen sein – das erledigen die Distributoren. Mit dem Nachteil, dass Preisanpassungen teils langsam erfolgen, im voraus angekündigt werden müssen und dann für feste Zeiten gelten.

Das erste und größte Selfpublisher-Angebot: „KDP“ – Kindle Direct Publishing

Amazon bietet eine einfache, voll automatisierte Plattform für selbst publizierende Autoren; Veröffentlichung und Änderungen am Buch geschehen innerhalb von wenigen Stunden, Preise können im Rahmen der von Amazon festgelegten Bereiche jederzeit angepasst werden.

Mit einem „Covergenerator“, Tools zur Kontrolle („Kindle Previewer“) und umfangreichen Abrechnungslisten ist dieses Angebot inzwischen sehr ausgereift.

Zusätzlich versucht Amazon, Autoren an sich zu binden. Dazu gehört einmal das „Select“-Programm, das die Ausleihe für Kindle Besitzer ermöglicht und dem Autor Werbeaktionen in Form von Gratis-Tagen erlaubt. Besonders die „Ausleihe“ kann für manche Selbstverleger sehr interessant sein, da verliehene Exemplare wie Verkäufe gerechnet werden, also das Ranking verbessern. Für verliehene Bücher schüttet Amazon unterschiedliche Beträge aus, die jeweils quartalsmäßig verkündet werden. Eine Teilnahme am „Select“-Programm bedeutet, dass der Autor sich für die Laufzeit verpflichtet, sein Buch nur für Kindle anzubieten. Allerdings ist die „Select“-Teilnahme sehr einfach und kostenfrei quartalsweise kündbar, muss also nicht länger als drei Monate laufen.

Eine weitere Bindungsform ist der „Amazon Crossing Verlag“, der seit Anfang 2013 in Deutschland aktiv ist und Talente unter den Selfpublishern rekrutiert. Da Amazon international aufgestellt ist, kann das einen wirkungsvollen Einstieg in UK und USA bedeuten; außerdem kommen „Crossing“-Autoren in den Genuss von Spezialaktionen, wie etwa eine Aufnahme in die „Kindle Deals der Woche“ oder andere Aktionen.

Distributoren: neobooks, bookrix, bod, epubli und weitere

Es gibt zwei Typen von Distributoren: solche, die als eigenständige Start-Ups gegründet wurden; und solche, die von klassischen Print-Verlagen kommen. So gehört neobooks zum Verlag Droemer Knaur und kooperiert mit Rowohlt; bei bookrix ist inzwischen Bastei Lübbe eingestiegen; epubli gehört zur Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck, bod („Books on Demand“) gehört dem Logistiker und Buchvertriebler Libri.

Ein buntes Feld, das vom interessierten Selbstverleger ein gehöriges Maß an Vorabinformation, Preisvergleich und Vertragsstudium fordert.

Was nun?

Sie sind technisch grundlegend versiert, wollen stündlich Ihre Verkäufe sehen, sind flexibel, abenteuerlustig, lernfähig und vor allem: Sie wollen schnell loslegen? KDP macht das möglich. Ihr eBook ist morgen früh im Shop verfügbar.

Sie legen Wert auf persönliche Ansprache, die Nähe zum klassischen Buchverlag und liebäugeln mit der (wenn auch kleinen) Chance, irgendwann im Buchhandel aufzutauchen? Schauen Sie sich die deutschen Distributoren an.

Zusammenfassung:

  • Es gibt im eBook-Markt einen Platzhirsch (Amazon) und ein buntgegliedertes Feld von „Tolino Allianz“ bis Apples iBook-Store
  • Nur Amazon bietet die direkte und unkomplizierte Veröffentlichung nebst einiger Zusatzleistungen und kurzer Vertragslaufzeiten
  • Für Selbstpublizierer, die diesen Markt kennen lernen und aktiv (!) beackern wollen, ist ein Start mit Kindle zu empfehlen
  • Selbstpublizierer, die persönliche Beratung und einen gewissen „Kuschelfaktor“ schätzen, kann die Zusammenarbeit mit einem Distributor glücklich machen

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6 comments

  1. Lange antworten gesucht jetzt gefunden. Danke Johannes 🙂 🙂

  2. Ich moechte mein Buch selbst vertreiben. Gibt es eine Moeglichkeit, das Buch in einem Format zu speichern, in dem es weder kopiert noch an dritte versandt wird?

  3. Wenn man keinen Exklusivvertrag („Select“) mit Amazon eingeht, kann man sein eBook zusätzlich auch über einen Distributor an alle übrigen großen Shops ausliefern lassen, weil mittlerweile die meisten Distributoren es erlauben, einzelne Händler (in diesem Fall Amazon) vom Vertrieb auszuschließen.

    Und nach dem Ablauf des dreimonatigen „Select“-Programms bei Amazon kann man ebenso verfahren. Das würde ich empfehlen.

    Dann kann man das eBook auf dem eigenen Blog bewerben, und es ist in allen gängigen großen Shops erhältlich – nicht nur bei Amazon.

    Gruß,
    Anton Goldberg

  4. Hallo Johannes,
    vielleicht bin ich ja auch nur zu blöd aber das heißt doch im Klartext, dass ich das E-Book zwar auf meinem Blog bewerbe, es aber nur über amazon erhältlich ist oder?!
    Schönen Abend noch Anja

    • Hallo Anja, wenn du dein eBook über Amazon KDP veröffentlichst, wird es dort zum Kauf angeboten. Amazon übernimmt die Abwicklung der Käufe und schüttet bis zu 70 % des Kaufpreises an den Autor aus. Wo der Autor sein bei Amazon angebotenes Buch bewirbt, kann er natürlich selbst entscheiden.
      Er kann (sofern er nicht mit Amazon einen Exklusivvertrag („Select“) geschlossen hat) natürlich auch selbst das Buch zum Kauf anbieten, zB über einen eigenen Blog.
      Der Autor muss sich natürlich im Klaren sein, dass er dann ein Buchhändler ist! Erstens unterliegt er dann wie jeder Buchhändler der Buchpreisbindung; zweitens muss er für eine ordnungsgemäße Lieferung, Rechnungslegung und Versteuerung sorgen; und drittens wird er eventuell gegenüber dem Finanzamt zum „Gewerbetreibenden“, was zu einer neuen steuerlichen Einstufung führen kann.

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